„… haben an der Ostgrenze der verbliebenen silizierten Oberflächenschicht auf dem ehemaligen Berlin angesetzt. Die schildkrötenähnlichen Wesen …“ (Das Bild zoomte auf eine der unzähligen, etwa handtellergroßen, beweglichen Halbkugeln, die wie die Masse ihrer Gefährten an der zwischen einem und zwei Metern dicken grauen Schicht nagte.) „… sind für den Menschen und die uns bisher bekannte Natur offenbar ungefährlich. Das Silit verspeisen sie dagegen mit ungebremstem Appetit. Es bleibt nur Staub übrig, der durch den leichten Westwind in kurzer Zeit zerstreut wird. Gegen die Plage ist noch kein Mittel bekannt. Auf breiter Front …“ (Hier blendete man eine Karte des östlichen Berlins, einschließlich einiger markierter früherer Vororte, ein.) „… sind die silizierten Wüstenkappen bereits mehr als dreihundert Meter weit weggefressen. Wenn die Wesen so weitermachen, wird die neue Plage der effektivste Weg zur Rekultivierung Berlins. Über ihre Herkunft liegen keine Erkenntnisse vor. Ihr Verhalten legt aber nahe, dass sie aus der gleichen Quelle stammen wie die Sikroben. Bezeichnenderweise verfallen in einfache Holzkörbe eingesammelte Exemplare sofort in einen Starrezustand. Professor Grützhuber von der Humboldt-Universität …“
Petra hatte abgeschaltet. „Ich muss sofort los. Die Biester werden mein Institut für Futter halten.“
Sie verabschiedete sich kurz. Mechanisch umarmte sie jeden, dann verstaute sie die Kinder hinten und drückte sich auf ihren Fahrersitz. Sie schaltete die automatische Steuerung ab, weil sich der Wagen sonst an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten hätte. Aber sie musste doch sofort an Ort und Stelle die Verteidigung ihres gerade erst errichteten Bauwerks leiten! Es war kaum zu erwarten, dass diese Wesen zwischen der toten Schicht und Bauwerken aus Silit unterschieden. Sollten doch die Bodyguards zusehen, wie sie unbemerkt ihren Schutz bewerkstelligten. Das war schließlich ihre Aufgabe. Zweimal wurden unterwegs Beträge von Petras Konto abgebucht. Auf dem Auszug mit der zweiten Abbuchung war vermerkt, dass … wenn innerhalb der nächsten 180 Tage eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung durch ihre Führerscheincodierung festgestellt werden sollte, die Zugangscodes aller ihrer registrierten Fahrzeuge automatisch abgeschaltet werden.
Per Videophon hatte sich Petra schon ein ungefähres Bild der Situation in ihrer Berliner Zentrale gemacht. Gefährlich und albern zugleich. Da knieten etwa siebenhundert zum Teil hoch qualifizierte Mitarbeiter um den Institutskomplex herum am Boden und sammelten schildkrötenartige Wesen in riesige Körbe. Andere versuchten, Gräben um das Gelände zu ziehen. Der Chef vom Dienst sendete mehrere Filmberichte.
Petra fragte zwischendurch ungeduldig. „Warum macht ihr sie nicht platt?“
„Das haben wir zuerst probiert. Geht nicht“, kam die Antwort in fast weinerlichem Ton. „Ich weiß nicht, was das ist. Jedenfalls sind es keine Tiere, wie wir sie kennen. Wenn wir eines dieser Viecher zertrümmern, dann formieren sich seine Überreste in Minutenschnelle zu mehreren neuen. Man kann zugucken dabei.“ Dem Diensthabenden schien es gelegen zu kommen, dass er sich endlich für seine Hilflosigkeit rechtfertigen konnte. „Wenn die hier so weiter machen, dann liegt bald ganz Berlin frei. Deshalb setzen wir sie auch an anderer Stelle wieder an den Bodenpanzer an. Da können sie fressen und wachsen, wie sie lustig sind. Aber bei uns werden es scheinbar trotzdem nicht weniger.“