Keiner reagierte. Da sprang ich zur Tür. Kaum war sie offen, sauste der Schwarm nach draußen. Etwa einen Meter weit in Freiheit drehte er ruckartig um und schwirrte kurz wieder ins Labor auf die Klonies zu. Ganz leise murmelte ich traurig: „Jetzt nehmen sie sie mit!“
Erneut bildeten die Aerobolde eine Formation von Pfeilen, die nun auf die vier Klonies gerichtet waren. Ein ohrenbetäubendes Fiepen … und – als hätten sie es sich anders überlegt – entschwanden sie ohne weitere Verzögerung nach draußen.
Inzwischen hatte derselbe Geburtsvorgang bei dem anderen Kristall begonnen. Hier entstanden von Anfang an weniger, dafür größere und abgerundetere Beulen. Auch die fliegenden Kristallkinder waren größer und ähnelten eher normalen Luftballons. Keiner machte die Tür wieder zu. Alle beobachteten, wie sich auch die nächsten Aerobolde in eine unbekannte Freiheit entfernten. Jens hatte Sina und Jule zur Seite gedrängt, um den ausfliegenden Wesen einen breiten Weg zu lassen.
„Jens, bist du verrückt? Hast du eine Ahnung, was die Dinger womöglich anrichten können? Wir müssen Alarm geben.“ Janine baute sich wütend vor ihm auf.
„Ich glaube nicht. Was sollte das schon bringen? Dem letzten Chaos hatte auch keiner was Vernünftiges entgegenzusetzen...“ Jens stand mit herunterhängenden Armen da. „…und es ist doch gut ausgegangen.“
„Aber vielleicht schicken die Dinger Nachrichten ins Weltall und wir bekommen bald Besuch von Aliens. Da müssen wir uns doch vorbereiten!“ Auch Jule machte ihrem Ärger Luft.
„Sollen sie! Oder wollt ihr keinen Besuch?“ Jens sah selbst nicht so aus, als freute ihn der Gedanke. Sein Gesichtsausdruck stand allerdings im krassen Gegensatz zu dem begeisterten Ton, in dem er seine Frage gestellt hat. Schließlich schlurfte er vor den anderen her hoch zum Haus.
Janine bemühte sich, ihrer Erregung Herr zu werden. Was eignete sich besser dazu als die eintrainierten Handgriffe, mit denen sie das Abendbrot vorbereitete. Wie auf Verabredung bot ihr niemand Hilfe an. Dann hätte sie mit den Gedanken dabei sein müssen. So aber arbeitete sie allein, wie eine Maschine, für die eigentlich alles normal weiterging. Janine hörte nicht darauf, ob jemand etwas sagte. Aber wir schwiegen sowieso.
Ich wachte scheinbar aus einem Halbschlaf auf, als das Tablett in der Tür auftauchte. Ich verteilte Besteck, Geschirr. Während Sonja den Wurstteller anstierte, als kröchen ihr von dort erste Maden entgegen, murmelte sie: „Warten wir also ab, ob wir wieder eine Plage auf die Menschheit losgelassen haben oder ob unser Experiment diesmal besser ausgeht.“
„Unser Labor ist jetzt nutzlos. Dabei hätten wir da noch so viel machen können.“ Leonie rührte ihr Brot nicht an.
„Da hast du Recht“, murmelte Janine.
Leonie sagte trotzig: „Aber wir haben noch den Mutterkristall.“
Doch Janine sah sie nur vorwurfsvoll an: „Erinnere mich nur nicht daran! Am liebsten würde ich den noch heute Abend so tief verbuddeln wie möglich.“
Appetit hatte keiner. Niemand achtete auf mich. Plötzlich schlug ich mit der Faust auf den Tisch. „Das ist ja nich mit anzuhören. So, wie ihr euch hängen lasst, hättet ihr wirklich verdient, wenn alles aus wäre. Aber ich sage euch eins: Die kommen zurück und dann geht alles erst richtig los!“