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27. September 2011 2 27 /09 /September /2011 08:02
 

Aus den Nachrichten zur Frontbegradigung im Volksempfänger ... na, dem Radio ... versuchten wir den aktuellen Stand der Frontlinie abzuschätzen. Schwerin war kein strategischer Ort. Sowohl Russen als auch Amerikaner hatten keine Eile, uns zu erreichen. Wir wünschten, die Amis kämen zuerst ...

Doch zuerst kläffte Nero.

Es war später Abend. Wie immer hatten wir abgedunkelt wegen der Bomber. Es war eigentlich Zeit zum Schlafengehen. Der altersschwache Köter kläffte richtig wütend.

Gundel flüsterte: Elfriede, da ist jemand im Garten ...

Und ich: Laß nur, was soll er schon holen? Und wenn, verhindern können wir es sowieso nicht. Hauptsache, er kommt nicht rein.

Das war wie eine Beschwörungsformel. Aber sie wirkte nicht. Es klopfte und kratzte weiter an der Hintertür. Welcher Einbrecher hätte das getan? Wenn der Kläffer endlich die Schnauze gehalten hätte! Wir taten, als wäre niemand da.

Elfi? Elfriede? Eine Hand kratzte nun am hinteren Mittelfenster.

Einen Augenblick sahen wir uns verdutzt an. Dann schoß ich an die Tür, schmiß einen Stuhl um dabei, griff nach der Klinke; Gundel, wo ist der Schlüssel? Im Sekretär? Moment, du hast selbst gesagt, ich soll ihn nicht stecken lassen. Gundel zitterte, als sie mir den Schlüssel gab, ich zitterte, als ich ihn in das Loch steckte, umdrehen wollte. Dann war Vati, euer Opa, zu Hause.

Mein Gott, was war er für eine dürre Vogelscheuche geworden! Meine Nachricht hatte ihn tatsächlich in Wismar erreicht. Da hatte er, glaube ich, das Kommando über die Reste einer Kompanie. Er hat sie alle einzeln in Fronturlaub geschickt. Sich sofort in Richtung Schwerin aufgemacht. Durch die Felder geschlagen. Nachts. Zu Fuß ... Ich war doch nicht dabei. Und er wollte nicht damit protzen, daß er nicht nur abgehauen war, sondern auch ein paar Kameraden das Leben gerettet hat. Wir können ihn ja nicht mehr fragen ...

Nun war er ein Problem. Zwar konnten wir ihn ernähren, schützen, verbergen, aber wenn nur einer der stationierten Soldaten den wehrfähigen Mann in unserem Haus bemerkt hätte, hätten sie ihn sofort erschossen.

Das Problem löste sich schnell und einfach. Am nächsten Morgen flog eine Bomberstaffel an uns vorbei ostwärts. Einer der Jungs drehte durch. Er schoß hinter den Fliegern her. Nicht ohne Wirkung: Zwei der Flugzeuge wendeten. Sie befreiten sich von ihrer Bombenlast und schlossen wieder zu ihrem Verband auf. Die Soldaten sahen wir nicht wieder. Aus einigen der verstreuten Uniformteile haben wir später Arbeitssachen geschneidert.

10 Kilometer östlich pfiffen schon die Stalinorgeln, aber in Schwerin rückten die Amerikaner ein. Unsere Siedlung besetzten die Gefangenen.

In 54 Häusern verschanzten sich die Mecklenburger. Man konnte ja nicht wissen. Besser die Türen zur Straße ordentlich verriegeln, die Fensterläden verschließen und abwarten.

Eines hatten sie vergessen: 300 Männer hatten Hunger.

Den drei Gestalten, die sich bewaffnet den ersten Häusern näherten, sah man das nicht an. Wahrscheinlich selbst zitternd klopften sie an eine Tür. „Sofort aufmachen!„ Diese deutschen Worte hatten sie behalten.

Nichts rührte sich.

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