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29. Juli 2008 2 29 /07 /Juli /2008 16:17

Sie betrachtete den leuchtenden Kristall, wandte sich ab, torkelte ein wenig. Ich kann nicht mehr. Morgen ist auch ein Tag. Außerdem muss ich die Kinder abholen und nach Hause gehen Gleich früh mache ich an der Stelle weiter, wo ich jetzt aufgehört habe. Sie hätte nicht sagen können, ob sie das tatsächlich laut gesagt oder nur gedacht hatte. Von einem Moment auf den nächsten völlig erschöpft verließ sie das Labor. Als wäre der Kugel ein betäubendes Gas entwichen.

Ich handle nicht vernünftig. Ich breche jetzt nur ab, weil mir dieser Kristall das eingegeben hat. Bei diesem Gedanken ging es ihr weder besser noch schlechter. Dem Kristall schien ihr Gedanke egal zu sein. Sie hatte schon entschieden, am nächsten Tag weiterzumachen. Oder hatte die Kugel ohne Hülle keine gemütsbeeinflussende Wirkung? Das fand Petra wenig wahrscheinlich. Sollte sie nicht wenigstens noch ein wenig aufräumen? Plötzlich hatte sie das Gefühl von Nadeln, die sich in ihre Schläfen bohrten. Also nicht. Sie wehrte sich nicht. Die Alarmanlage aktivierte sich wie immer automatisch in dem Augenblick, in dem hinter ihr die Tür zufiel. Erst auf der Straße fiel Petra ein, dass sie ihre Zwillinge nicht abzuholen brauchte.

 

Am nächsten Morgen wachte Petra vor dem Weckerklingeln auf. Sie fühlte sich munter, unruhig, wollte sofort ins Labor. Eine unbestimmte Ahnung trieb sie. Wenn sie rannte, könnte sie vielleicht noch eine Katastrophe verhindern. Die Zwillinge kamen ihr ungewöhnlich quirlig vor. Als sie ihnen jedoch sagte, sie sollten diesmal früher zur Schule, da murrten sie nicht, sondern beeilten sich freiwillig. Da stimmte doch etwas nicht? Sonst waren die beiden morgens nie so. Die innere Unruhe wuchs. Um 8.05 Uhr stand Petra an der Labortür.

Guten Morgen. 1711 Herbst!“ Petra lächelte etwas gequält. Mit einem Brummen beendete das Sicherheitssystem den Datenabgleich von Netzhaut und Stimmmodulation. Das System signalisierte keine Gefahr. Die Tür sprang auf. Noch immer nichts. In dem Augenblick aber, in dem Petra ihren Oberkörper durch den Türspalt schob, umgab sie plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm.

Alarm. Nahe liegend wäre gewesen, sofort die Tür zuzuschlagen, den Raum hermetisch abzuriegeln, sich selbst in Sicherheit zu bringen und Hilfe zu holen. Dann in aller Ruhe zu untersuchen, was eigentlich passiert war. Petra ging durch den Kopf, so vorzugehen. Aber was tat sie? Sie stand da wie gelähmt und ließ ihren Blick über das Katastrophenfeld schweifen, als zeige man ihr einen Gruselfilm.

Ihr Untersuchungstisch hatte sich aufgelöst. Der Kristall lag auf dem nackten Boden, direkt unter dem Platz, auf dem er vorher gelegen hatte. Ab einem Umkreis von etwa zwanzig Zentimetern um ihn herum war alles von einer zähflüssigen Masse bedeckt, die nach normalem physikalischem Verständnis alles hätte bedecken müssen. Tat sie aber nicht. Der Kristall lag in einem unerklärlichen Loch. Konzentrisch verliefen von dort aus Wellen in alle Richtungen. Auf Schaumkämmen tanzten bläulich leuchtende Tröpfchen. Sie waren sowohl von der Tür als auch von den Seitenwänden noch knapp zwei Meter entfernt. Petra erkannte einige Einrichtungsgegenstände des Labors, die irgendwie kristallin glitzerten oder … Nein, ehe Petra ein passenderer Ausdruck für das Bild eingefallen war, zerflossen sie zu einem hässlichen Brei.

Hellersdorf! Die Ätzer!

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