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3. Juli 2008 4 03 /07 /Juli /2008 04:29
Hanoier Traum

 

Trotzte ich

dem Reißzahn der Zeit –

steinern,

eine Säule auf dem Rücken,

diesen Schildkröten gleich,

ich schenkte dir,

Dichter,

Taifunaugen,

deine Worte darin zu sehen.

Griffe deine Hände,

gemeinsam

gemächlichen Schritts

das neue Ufer zu

erschreiben.

Gelassen trügen wir

das heutige Wissen,

das uns genarbt

nach neunundneunzig Stürzen.

Wir kämen an

bei uns und

über Wunden

wüchse Haut.

Slov ant Gali

33333333333333333333333333333333333

R.Baumgärtl,
neue feinde braucht das land

in der Anthologie zur Friedenslesung 2007
"Das Leben riecht nach Meer" :

in Gedicht des Tages

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utopischer Fortsetzungsroman
"Die sieben Kugeln" von Slov ant Gali (8)

 

Für den Bruchteil einer Sekunde verharrte er reglos in seiner vorgebeugten Stellung. Da passierte es zum ersten Mal: Ausgerechnet in diesem Moment, als die Angst um seine Kinder ihn trieb, spürte er sie, diese unvermittelt einsetzende, unerklärlich absurde Freude. Am liebsten hätte er ein Lied gesummt. Er schüttelte sich. So was?! Noch überwog der Wunsch, Sina und Leonie zu schützen. Jens schlug die Tür zu, lief um den Wagen herum, kletterte auf den Fahrersitz, schloss die vordere Tür und wollte vom Hof fahren. Überdachte schon die nächsten Schritte: Wenn hier so viele Hornissen herumschwirrten, war vielleicht ihr Nest nicht weit. Er musste sich sofort darum kümmern, die Feuerwehr rufen…

Ohne ersichtlichen Grund waren plötzlich alle Hast und Unruhe wie weggeweht. Als hätte es nie eine Veranlassung dazu gehabt. Jens tauchte in einen Traum ein. Richtiger: Etwas tauchte ihn in diesen Traum hinein. Da umgaben ihn lauter schwebende Wesen. Sangen und umtanzten ihn wie Elfen oder Engel, wie Phantasiegeschöpfe von unbeschreiblicher Schönheit. Lachten ihn vergnügt an. Vergeblich sagte er sich, das sah er nicht wirklich, das musste eine Halluzination sein. Überall dort, wo er jetzt schwirrende Elfchen zu erblicken glaubte, waren ihm doch eben noch Hornissen entgegengesummt. So etwas wie eine innere Stimme aber antwortete: Na und, ist das keine wunderbare Vorstellung?

Langsam griff Jens wieder nach den Armen seiner Töchter. Er zog Sina und Leonie aus dem Auto heraus. Vergaß, dass er sie eben noch hatte beschützen wollen. Nein, wunderte sich schon darüber: Wovor eigentlich beschützen? Vor diesen schwebenden Elfchen etwa? Die jetzt auch noch alle irgendwie die Gesichtszüge seiner Zwillinge angenommen hatten? Ihn als Schwarm von Sinas und Leonies umkreisten? Das ja wohl nicht!

Zwischendurch, für Sekundenbruchteile, verschwammen die Bilder. Da erkannte er im Hintergrund sein saniertes Gemäuer. Da waren es Insekten, die Lieder für ihn sangen. Aber schon war das Bild ein anderes. Seine Kinder waren überall. Schwebten mit Flügelchen um ihn herum. Wie in Trance rief Jens ihnen zu: „Wollen wir nicht ein paar Blumen für Mama pflücken?“ „Oh, ja“, antworteten die beiden, und zu dritt tanzten sie in den Garten. Oder waren es hundert? Jens sah einen ganzen Elfenreigen um sich herum. Er schnitt drei Rosen ab, die Mädchen flochten vier Butterblumenkränze. Setzten sich und ihrem Vater je eine Krone auf. Tanzten und tanzten. Und als Janine aus dem Dorf zurückkam, schmückten sie auch deren Kopf. Die wunderte sich überhaupt nicht und dutzende summender Hornissen freuten sich mit ihnen.

In der Dämmerung erzählte Jens Leonie und Sina wie immer eine Schlafgeschichte. Auch Janine hörte zu. Jens lag noch lange danach munter und lauschte in sich hinein. War nun alles in Ordnung oder nicht? Schließlich entschied er sich: Warum denn nicht? Es war alles in bester Ordnung.

Erst am nächsten Morgen, als sein E-Car automatisch den Weg zur Dienststelle in Berlin einschlug, fing er an zu grübeln. Sina, Leo, Janine, er selbst … Waren sie gestern alle total weggetreten? Was war da nur passiert? Kaum versuchte er in Gedanken den Ablauf des Abends nachzuzeichnen, begann sein Kopf zu schmerzen. Und wie! Immer wenn er begann, sich auf seine Begegnung mit den Hornissen zu konzentrieren, hätte er vor Stechen in den Schläfen brüllen mögen. Dachte er dagegen Ist ja nicht so wichtig, fühlte er sich entspannt und die Schmerzen verschwanden von einer Sekunde zur nächsten.

Jens alarmierte nicht die Feuerwehr, er sprach Janine nicht auf die Hornissen an, und er erzählte auch seinen Kollegen nichts von der Sache. Es war ja klar, was die ihm geraten hätten. Ruf die Feuerwehr und geh zum Psychiater! Und gelacht hätten sie natürlich wieder über ihn.

Vorschau für Neugierige 
PS: Bei der ersten Veröffentlichung der ersten für Abschnitte ist bedauerlicherweise das Kapitel "Vor-spiel" ganz utopisch verschwunden.
Es ist nunmehr eingefügt...

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