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1. Juli 2008 2 01 /07 /Juli /2008 02:00
Vorwort

Nun bringe ich schon durcheinander, wie oft ich die Geschichte durchgelesen habe. Es bleiben so viele Fragen. Manche werde ich nie beantworten können. Kein Zeuge hat überlebt. Manche sind mir zu philosophisch. Da bin ich bestimmt nicht die Richtige für. Zum Beispiel, wann alles angefangen hat. Mir ist nur eines klar: Das war lange, bevor ich ahnen konnte, in ein derart verschrobenes Abenteuer hineinzugeraten, ja sogar lange bevor ein einziger Mensch an solche Katastrophen gedacht hätte. Aber sollte mir jemand erklären wollen, ich müsste noch weiter zurückgehen als bis zur Kinderzeit von unserm Kommissar, dann geb ich auf. Ach ja: Also nicht, dass jemand denkt, ich hätte was gegen Ausländer. Jedem Deutschen hätte das mit der Kugel auch passieren können, aber … Nein, ich fang lieber an.

An der Spitze der Halbinsel Näswerder hätte einstmals ein Stadion entstehen sollen. Schon damals wäre es zwar fast zu spät gewesen, aber die sich für vernünftig haltenden Bewohnern sicherten sich einige ruhige Erdumdrehungen mehr. Man gab die Idee letztlich wegen des Grundwassers auf. So verwilderte alles wieder und es blieb im Boden, was dort nicht hingehörte. Die Menschen aus der Stadt errichteten weiter südlich das Neubaugebiet Großer Trooch. Eine autobahnähnliche Straße verband es mit den Bürgerhäusern des Stadtzentrums. Auf die Halbinsel Näswerder kam man nur noch über Brücken. Sie hatte sich in eine echte Insel verwandelt.

Hätte jene Straße gewusst, wie sehr sie einmal die Welt, wenigstens Europa oder Deutschland, was ja fast dasselbe zu sein scheint, unbedingt aber Großberlin gefährden würde, sie hätte von sich aus, ganz freiwillig, auf ihre Existenz verzichtet oder wenn sie schon hätte sein müssen, dann als Umgehungsstraße mit anderem Verlauf. So aber schnitt sie die Entwicklung Näswerders vom restlichen Mecklenburg ab, was umso schrecklicher war, da eben dieses Mecklenburg sowieso schon mindestens fünfzig Jahre nach der normalen Welt an jedem Boxenstopp ankam. Die Leute wollten das nicht anders. Sie duldeten alte bäuerliche Katen neben modernen Häusern im nachgemachten Friesenstil und welchen ohne jeden Stil – Hauptsache man ließ sie in Ruhe.

Die Zeiten änderten sich trotzdem. Irgendwann wollte sogar jemand, den man schon von fern als Fremden erkannte, richtiger Näswerderaner werden. Seine Frau, eine von Näswerder, hatte ihm zwar beigebracht Da brögsst nich zu sstammeln und solche Sachen zu sagen – und er gab sich auch sonst große Mühe, wie ein Einheimischer zu erscheinen. Zum Beispiel hatte er entgegen seinen Traditionen von seiner Frau den Familiennamen Parchmann angenommen. Letztlich half es ihm doch nicht. Er blieb ein Fremder. Den gemeinsamen Sohn traf das am härtesten. Ihn hatten die beiden aus der burmesischen Heimat seines Vaters mitgebracht. Da konnten sie ihm den fremd klingenden Vornamen Rahman nicht mehr wieder wegnehmen. Das wäre aber das Mindeste gewesen, um in der neuen Schule dazuzugehören.

Die Kinder waren nämlich noch ein bisschen krasser als ihre Eltern, und sie hatten ein eigenes Problem. Ihre Zahl auf Näswerder hatte vor langer Zeit schon nicht mehr für eine eigene Schule ausgereicht. Ein fernes Amt entschied, dass es in der Brechtschule auf dem Neubau-Trooch genug Platz für sie gäbe. Plötzlich wurden die wenigen Näswerder-Kinder in die dortigen Klassen umgeschult. Vielleicht führten sich die ersten Dorfkinder in ihren Anfangstagen an der neuen Schule wirklich komisch auf. Wer konnte das später noch überprüfen? Sicher war nur, dass die Troocher endlich jemanden gefunden hatten, an dem sie sich tagtäglich austoben konnten, Außenseiter zum Hänseln und Prügeln, wann immer ihnen danach war…

1. Teil: Stochern im Nebel

Ein Vor-Spiel

Zu der Zeit, als die Parchmanns sich ansiedelten und ihren Rahman in die Brechtschule einschulten, war es für die Kinder des Troochs feste Gewohnheit, fast täglich ein paar Näswerderaner zu verprügeln. Jens, der den längsten Weg bis zur Straßenbahnstation Näswerder laufen musste, hatte sich deswegen zu Hause beschwert. Warum traf das immer dieselben? Er war bei seinem Vater auf wenig Verständnis gestoßen. „Was du nur willst? Bei uns war das genauso. Ist aus mir ein richtiger Mann geworden? Ja oder ja? Du bist nun einmal ein echtes Näswerderaner. Schon dein Großvater hat sich gegen die Troocher wehren müssen, später ich, jetzt du. Das Verlieren ist schlimm, ich weiß. Aber es hat auch Vorteile: Ihr lernt zusammenzuhalten. Lasst euch nicht unterkriegen, kämpft! Verliert ihr hundert Mal … das hunderterste Mal, das erste Mal, wo ihr gewinnt, das ist das entscheidende. Danach ist Ruhe, glaub mir.“

Was sollte Jens machen? Er sammelte die Näswerderaner Tag für Tag zu heroischen Abwehrschlachten. Aber selbst zusammen mit den Mädchen konnten sie ihre zahlenmäßige Unterlegenheit nicht überwinden. Immer wieder landeten sie im Dreck. Wie oft hoffte Jens, die hundert zu verlierenden Gefechte endlich hinter sich zu haben, aber es ging immer weiter.

Da tauchte jener Rahman auf. Nein, ein Näswerderaner konnte der nicht sein. Der war anders. Der gehörte nicht dazu. Der war ein Fremder unter ihnen. So, wie sie Fremde auf dem Trooch, und obwohl er ihr Schicksal in der Trooch-Schule teilte.

Aber auch Rahman war stur. Er ließ sich verprügeln, ohne einen Laut von sich zu geben. Bis er es eines Nachmittags dann doch nicht mehr aushielt. Warum sollte er nicht zu ihnen gehören, zu diesen tollen Näsies? Noch dazu, wo er glaubte, etwas für die anderen Interessantes zu besitzen?

Er stieg also zusammen mit sechs Näswerderkindern aus dem Schulbus aus, trennte sich aber an jenem schicksalsschweren Tag nicht sofort von ihnen, sondern rief: „Wartet doch mal!“

Drei Jungen und drei Mädchen sahen sich abwartend um. Mit ernstem, beinahe feierlichem Gesicht erklärte Rahman: „Wenn ihr wollt, dann zeige ich euch Wundersteine, die ich auf unserer Baustelle entdeckt habe.“

Das war zu viel! „Wundersteine, son Quatsch!“ Jens tippte sich an die Stirn.

„Du brauchst ja nicht mitzukommen“, verteidigte sich Rahman trotzig. „Aber wetten: Wenn du die erlebt hast, hebst du voll ab. Ganz starke Dinger, sag ich dir. Die musst du einfach gesehen haben. Ehrlich!“

„Du nervst, Junge.“ Hagen musterte ihn voll Verachtung. „Wenn du uns verarschst, dann wirst sehen: Die nächste Woche kannst du nicht ohne Kissen auf ´m Stuhl sitzen.“

„Auf einmal Arschvoll mehr oder weniger kommt es nicht mehr an. Krieg ich sowieso alle Tage“, antwortete Rahman, und zumindest mit der letzten Behauptung hatte er Recht.

„Du nimmst den Mund ziemlich voll.“ Hardy war einen Schritt näher gekommen.

„Ich beweise es euch. Kommt heute um sieben zu meiner Hütte. Ihr werdet staunen.“

Die Chance, etwas Bestaunenswertes zu sehen, konnte ein echter Näsie sich nicht entgehen lassen. Als es Abend wurde, schlichen die sechs also zu dem katenähnlichen Neubau der Parchmanns. Es dämmerte. Die Silhouetten der Häuser verwandelten sich in Scherenschnitte. Vom Abendwind wurde der faulige Geruch alter Komposthaufen zum Anger getrieben. Irgendwo kläfften wütende Köter. Gelegentlich tauchte ein Schatten über den Bürgersteigen der Dorfstraße auf, verschwand aber sofort wieder. Mit einem Wort: Ein wenig Gänsehaut hatten die jungen Helden schon, bevor es überhaupt losging.

Rahman erwartete sie an der Pforte zum Vorgarten. Er winkte, drückte den rechten Zeigefinger auf den Mund und sah sich unsicher um. „Ist euch auch niemand gefolgt? Ihr habt doch keinem verraten, wo ihr hin seid? Das darf nicht rauskommen.“

„Spinner! Mach dir nich ins Hemd wegen dein Hokuspokus.“ Hagen schüttelte den Kopf.

In einer Ecke des Grundstücks stand Rahmans Hütte. Die übrigen Kinder waren verunsichert. Auf Parchmanns Grundstück waren sie noch nie gewesen … und man konnte ja nicht wissen ...

Endlich hatten sich alle in die Hütte gedrängt. Jens, als Anführer, setzte sich als erster. Schließlich musste er zeigen, dass wenigstens er keine Angst hatte. Petra, die klügste und ehrgeizigste der Gruppe, quetschte sich neben ihn und Sonja, das einzige Mädchen, das früher oft, aber natürlich vergeblich, versucht hatte, die Jungen von ihren Prügeleien abzubringen. Dann kam Hardy, der sich eigentlich langweilte, weil ihn nur Geschichte interessierte, genauer, nur die Zeit der Königreiche und früher, Hagen, der brummte „Na, da bin ich aber gespannt“, um sich Mut zu machen und den anderen zu zeigen, dass er welchen hatte, und die kleine blonde Lisa, die heimlich hoffte, Rahman möge sie endlich zur Kenntnis nehmen. Als letzter kroch Rahman selbst hinterher, in der Hand eine Kugel. Er konnte sie mit seinen Fingern etwa zu einem Drittel umfassen. Sie hatte ungefähr zehn Zentimeter Durchmesser. So schätzten die anderen, und waren etwas enttäuscht. Das angekündigte Wunderding war völlig unscheinbar und grau, sofern die Farbe im Dämmerlicht überhaupt festzustellen war. Nein. Obwohl Rahman sie hochhielt, fiel keinem etwas Bemerkenswertes an ihr auf.

„Wunderkugeln sehen bestimmt anders aus.“ Damit sprach Hagen aus, was eigentlich alle dachten.

„Na, dann nimm mal!“ wandte sich Rahman an Lisa.

„Uff!“ rief das Mädchen überrascht, nachdem sie die Kugel aufgefangen hatte. „Ist die leicht! Mit der bekäm sogar ich im Kugelstoßen ´ne Eins. Ein Ball aus Stein. Hohl?“

Rahman zuckte mit den Achseln und Lisa reichte die Kugel weiter. Alle wogen sie in den Händen, strichen über ihre Oberfläche und stimmten Lisa zu. „Ein Stein ist es nicht“, sagte Sonja, „aber was dann?“

Hagen brummte unwillig. „Okay, etwas sonderbar.“

Rahman war mit der Reaktion der anderen zufrieden. Er verschwand kurz und kam mit fünf weiteren Kugeln zurück. „So, jetzt könnt ihr vergleichen!“ Lisa betastete eine zweite Kugel, warf sie leicht hoch, fing sie auf und meinte: „Die ist genauso.“

„Und der Rest?“ Rahman wartete ab, bis Hagen als letzter der Gruppe alle Kugeln miteinander verglichen hatte. Es gab keinen Zweifel. Alle sechs waren absolut identisch. Dieselbe graue Farbe, die glatte Oberfläche und das geringe Gewicht – mehr Eigenschaften ließen sich beim besten Willen nicht feststellen.

  „Das werden wir gleich haben!“ Petra nahm Sonjas Kugel in die linke Hand und klopfte sie gegen ihre eigene. Ein dumpfer Ton, kein Nachhall. „Hm: Hohl klingt anders“, stellte Petra nachdenklich fest. Was hätte sie sonst feststellen können?

Nun schlugen auch die anderen ihre Kugeln aneinander. Immer derselbe Ton. „Wenn ichs doch sage“, murrte Petra. Warum glaubten die anderen ihr nicht? Dann mutmaßte sie: „Vielleicht ist was Flüssiges drin?“

„In einem Stein… Erzähl das deiner Oma!“ Hardy tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn.

Unbemerkt war Rahman noch einmal nach draußen gegangen. Als er wieder in der Tür auftauchte, mühte er sich vorwärts wie ein alter Mann, dem die Last den Rücken gekrümmt hatte. Hardy und Hagen lachten. Es sah einfach zu komisch aus. Rahman presste seine Kugel mit beiden Händen an die Brust. Trotzdem konnte er sie anscheinend nicht halten. Dumpf schlug sie vor seinen Fußspitzen auf den Boden.

„Sehr witzig! So was Schweres haben wir noch nie gesehen.“ Hagen griff lässig mit seiner Linken nach der Kugel. Pech für ihn. Nicht nur, dass sich die Kugel am Boden kaum bewegte, Hagen fiel auch noch seine eigene aus der Hand. Wie von einer magischen Kraft angezogen rollte sie auf die schwere zu und blieb fest an ihr haften.

 „Lasst die anderen ruhig auch los!“ forderte Rahman.

Kaum am Boden, kullerten die übrigen Kugeln zu der schweren und blieben an ihr haften.

„Von wegen Wunderkugeln … Wahrscheinlich ist ein Magnet drin!“ Enttäuscht zog Petra die Schultern hoch.

„Kann sein. Vielleicht so etwas Ähnliches“, antwortete Rahman, „aber was es wirklich ist, weiß ich noch nicht. Die leichten Kugeln ziehn einander nämlich nicht an.“ Das hatten die anderen Kinder ja selbst ausprobieren können.

„Wo hast du die denn her?“ fragte Lisa.

„Hab ich doch schon gesagt. Ausgebuddelt beim Bauen auf unserem Grundstück.“

„Wie Steine?“ Hagen sah abwechselnd mal zu dem Kugelhaufen, mal zu seinem Besitzer.

„Wie Steine. Aber dass das keine sind, merkt man ja wohl, oder?“

 „Ob die irgend wofür gut sind? Einfach so in der Erde?“ Lisa guckte etwas verträumt auf den Jungen, dessen Gesichtszüge fast ganz vom Schatten des blauschwarzen Haares verborgen wurden.

„Ist doch klar. Die lagen schon lange dort. Vielleicht Kanonenkugeln aus Wallensteins Zeit.“ Hardy sprang auf. Fast wäre er mit dem Kopf an die Decke der Hütte gestoßen. Die anderen lachten.

„Du immer mit deinem Wallenstein!“ Hagen winkte stöhnend ab. „Du nervst!“

„Klar: Wallensteins Astrologe hat sie hohl gezaubert. Damit sie extra weit fliegen. Warte, ich hab einen besseren Vorschlag: Die gehörten Münchhausen. Der ist drauf geritten.“ Mit einem kräftigen Ruck löste Jens eine der Kugeln von den anderen und hielt sie sich unter den Hintern. Alle prusteten los und hielten sich die Bäuche, bis Petra aus heiterem Himmel heraus behauptete: „Die kommen aus dem Weltall!“.

Sofort verstummten die anderen. Zugestimmt hätte zwar keiner – außerirdische Kugeln, das war natürlich auch Quatsch – aber faszinierend war der Gedanke schon.

Das war seine Gelegenheit. Rahman rutschte auf seinem Platz hin und her. „Es sind genau sieben – so wie wir“, sagte er mit betont feierlicher Stimme. „Jeder könnte also eine behalten. Wenn ihr schweigen könnt. Dass mir niemand was davon erzählt! Vor allem keinem Erwachsenen. Dann wären wir sie wieder los. Bestimmt.“ Alle nickten schweigend. Rahman verteilte die Kugeln. Die leichten zuerst. Lisa gab er zum Schluss die schwere. Er versicherte ihr, dass er sie ihr nach Hause tragen werde. Lisa lächelte glücklich. Also mochte Rahman sie doch.

„So, und jetzt muss jeder schwören“, fuhr Rahman mit seiner Rede fort. „Wir wollen die Kugeln fürs ganze Leben sicher verwahren und keinem außerhalb unserer Gruppe davon erzählen. Von nun an treffen wir uns hier in jedem Jahr am selben Tag.“

War das feierlich! „Hat jemand was zum Schreiben dabei?“ Wenn Rahman in diesem Moment von jedem einen Blutstropfen verlangt hätte – er hätte ihn wohl bekommen. Selbst Hagen riss sich zusammen. Plötzlich verband sie alle ein durch unheimliche Kugeln, vielleicht sogar außerirdische, besiegelter Bund.

Sie schwiegen einen Moment lang, blieben aber nicht mehr lange in der Hütte versammelt. Jeder nahm seine Kugel und ging.

 

Was so pathetisch begonnen hatte, hielt trotzdem dem Alltag nicht stand. Schon vor Ablauf des ersten Jahres zog Lisas Mutter zu ihrem neuen Lebenspartner nach Berlin, und nahm die heimlich verliebte Elfjährige natürlich mit. Die arme Lisa fühlte sich wie Gepäck. Kurz vor der Abreise betrachtete sie traurig die bis dahin mit vielen Tricks verborgene Kugel. Grübelte lange, bis sie eine Lösung fand, das schwere Symbol ihres Bundes wenigstens heimlich in ihrem Gepäck unterzubringen. Lisa hatte sogar daran gedacht, die Kugel Rahman zurückzugeben. Es war eigentlich doch seine. Aber was hatte er gesagt? „Sie ziehen sich an wie Magnete. So wie wir.“ Lisa hatte ihm dafür einen ganz langen Kuss gegeben.

Ob es etwas verändert hätte, wenn aus den Beiden ein Paar geworden wäre? Wohl kaum. Auch die anderen gingen getrennte Wege und mit ihnen ihre Kugeln.

Bald dachten sie nur noch ungern an ihren Bund. Hatte die damalige Szene, diese naive Begeisterung nicht etwas kindlich Naives, ja sogar Komisches? Die war doch richtig peinlich! Als ob es nicht genügt hätte, dass sie ständig wegen ihrer Herkunft verprügelt worden waren! Spätestens mit zwölf, dreizehn waren sie zu erwachsen für solche Spiele.

Zunächst trafen sie sich noch. Lisa schrieb Rahman wöchentlich einen schmachtenden Brief. Dann ungefähr monatlich. Dann kam in ihre neue Klasse ein Junge, der ungeheure Ähnlichkeit mit Porty hatte, und ohne ein Porty-Poster kam kein Mädchenzimmer aus. So gab es noch einen Brief an Rahman, um den Termin ihres Treffens zu verabreden, das nicht zustande kam.

    Die Faszination des kindlichen Schatzes ließ immer mehr nach. Die Näsies wurden inzwischen auch nicht mehr verprügelt. Eigentlich hatte nur das sie vorher zusammengehalten. Rahman, Hardy und Hagen versuchten noch ein paar Mal, dem Geheimnis ihrer Wunderkugeln auf den Grund zu gehen. Wunder konnte es einfach nicht geben. Mit Steinen und Hämmern klopften die Jungen auf ihren Kugeln herum. Hardy lieh sich dafür von seinem Vater einen Körner aus, sie spannten die Kugel im Schraubstock ein… Das einzige was sie erreichten, war, dass der Körner abrutschte und Hagen ein paar Tage humpelnd herumlief. Die Kugeln ließen sich nicht beeindrucken. Selbst wiederholte Flüge gegen die Granitblöcke der Kirchenmauer störten sie nicht. Im Gegensatz zu der Mauer hatten die Kugeloberflächen danach nicht einmal einen Kratzer. So etwas hatten die Jungen noch nie erlebt. Sie phantasierten ein wenig, was das wohl zu bedeuten habe. Aber das gab sich bald wieder. Die Kugeln fristeten für Jahre ein unbeachtetes Dasein. Sie schienen sich zu nichts mehr zu eignen als zum Symbol einer endlich abgeschlossenen Kinderzeit.

 

 

 

 

 

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