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14. Oktober 2009 3 14 /10 /Oktober /2009 21:00

Von der eigentlichen Produktion sah ich kaum etwas. Auf der einen Seite floss eine schwarze teerige Masse in die Apparaturen hinein, Schautafeln stellten dar, wie sie phasenweise umgewandelt wurden, und bevor ein Mensch direkt zugreifen konnte, kamen jene verpackten Räucherschinken heraus, die wir als Andenken an diesen Ausflug geschenkt bekamen. Ohne Ernst hätte ich nicht so früh gewusst, dass das Zeug genauso köstlich rocht und schmeckte wie es aussah. Natürlich hatte der aus seinen Taschen ein Messer hervorgeholt und die Verpackung aufgeschnitten.

Bis zu der großen Fressorgie war das eigentlich das einzig Erwähnenswerte, genauer bis zu jenem Punkt der Verkostung, bei dem Hannes mit voll gestopftem Mund fragte:

„Wo ist eigentlich Maria?"

Tatsächlich war sie verschwunden. Keiner hatte sie nach ihrer Gähn- oder Übelkeitsattacke bemerkt – also seit etwa eineinhalb Stunden. Die gewaltigen Produktionsanlagen hatten unsere Aufmerksamkeit wohl doch gefangen genommen, jedenfalls mehr als unser Begleiter.

Es wurde Werksalarm gegeben. Wir sollten uns in den Zentralraum setzen. Und still staunen. Alle Arbeiter sammelten sich in der Cafeteria. Jetzt erst wurde mir die sonst allgegenwärtige Geräuschkulisse bewusst. Die ganze Zeit über hatte uns ein leises Raunen begleitet. In der Nähe der Fließstraße hatte es ein wenig zugenommen, aber es war immer und überall da gewesen. Nun hatte man die Apparatur abgestellt und plötzlich herrschte Leichenstille.

Paps redete halblaut.

„Mal sehen, ob sich unsere vielen Übungen im Ernstfall bewähren. Jeder bekommt jetzt einen Antipieper. Damit suchen wir an Orten wie hier nach Menschen, wo es so viele ablenkende Strahlen gibt. Seine Sensoren haben eine sehr kurze Reichweite. Im Umkreis von maximal 20 Metern erkennt er einen lebenden Menschen, von dem kein solcher Sensorstrahl ausgeht. Den piept er dann an, und wir haben unsere Maria wieder. Im Märchenwald würden wir Peilgeräte benutzen, weil jeder Vermisste normalerweise einen Sender bei sich trägt. Dort weiß er um die Gefahr und will gefunden werden. Das macht die Suche einfacher."

Über eine riesige Tafel breiteten sich gerade Striche aus. Sie kreuzten sich und vor unseren Augen wurden daraus zusammenhängende Felder. Von Minute zu Minute mehr. Schließlich leuchtete fast die ganze Tafel. Paps schwieg. Mir war bewusst, was das bedeutete. Als es überhaupt kein unbeleuchtetes Feld mehr auf der Tafel gab, trat der Ingenieur, der uns geführt hatte, auf uns zu.

„Eure Maria ist nicht auf dem Werksgelände. Das tut mir leid. Wir haben die Polizei benachrichtigt. Draußen macht die die Sensorfahndungen."

 

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