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3. August 2008 7 03 /08 /August /2008 15:57

Andauernd wähnte sich Petra kurz vor dem Durchbruch. Es erschien ihr selbstverständlich, dass sie die erste wäre, die die Fähigkeit des menschlichen Gehirns zum kreativen Lernen in die Steuerung komplexer technischer Systeme übertrüge. Und zwar vollständig. Damit eine Jahrhunderte lange Diskussion über den menschenähnlichen Computer beendete. Bevor es aber so weit war, übernahm ihr Labor auch Aufgaben, die mit dieser Thematik nichts zu tun hatten, wenn nur der Auftraggeber vernünftig bezahlte. Leider brauchte Petra immer Geld. Wenn ihr doch endlich etwas gelänge, um unabhängig zu werden, wenn sie doch endlich eine echte Chance bekäme! Sie würde nicht zögern und siegen. Wie oft lief sie wie eine Tigerin im Käfig umher und träumte laut ihren Durchbruch. Marcus stimmte ihr meist in bedächtigem Ton zu. „Was sollten wir denn tun?“ war dabei sein Lieblingsspruch.

Die Zeit auf Näswerder lag für Petra in dunklen Vorzeiten. Idyllische Kindheit? Ihre nicht. Und dass sie da in Rahmans Hundehütte gemeinsam abgehoben waren, das war nur ein Teil davon. Fast hätte sie Jens´ Mail vor dem Lesen gelöscht.

Hallo Freunde aus Näswerder! Petra lächelte. Ob Jens wohl nach Rahmans Kugel fragen würde? Bestimmt. Der war so. Aber der Rest hatte sie wohl auch vergessen.

Was wollte Jens? So richtig deutlich wurde es aus seiner Mail nicht. Gut, die Berliner Ereignisse, die beschäftigten zurzeit jeden. Gehörte er etwa zu diesen sich schnell ausbreitenden Spinnern, die das Ende der Welt kommen sahen und sich mit allerlei Hokuspokus zu den Auserlesenen der letzten Tage erklärten? Abschied von allem Irdischen und so? Bloß nicht herumspekulieren. Anrufen!

Es meldete sich seine Frau Janine. Nein, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, … Jens bekomme Informationen aus erster Hand, … wenn Sternekop wirklich bedroht wäre, also in den nächsten Tagen, dann wüsste er das, … nein, sie seien selbst auch noch da, kein Grund zur Beunruhigung.

Petra zuckte mit den Schultern. Warum sollte sie in ein paar Tagen tot sein? In Berlin vielleicht. Selbst bis an den Rand von Leipzig hatte es Tausende Flüchtlinge geschwemmt. Den Fernseher konnte sie schon gar nicht mehr anschalten. Kein Wunder, dass überall Panik um sich griff. Aber selbst wenn diese Tropfen wirklich so gefährlich wären, früher oder später fände jemand ein Mittel gegen sie. Sogar ihr Institut hatte einen Container bekommen. Vorgegebene Testreihen, die in den kommenden zehn Tagen abzuarbeiten waren. Ausgerechnet ihr Labor… Ihre Möglichkeiten waren für solch einen neuen und komplexen Forschungsgegenstand viel zu klein. Ein Versuch war es natürlich wert und Überstunden sowieso. Trotzdem sollte sie sich eine Pause gönnen.

Sie suchte auf der Karte dieses ominöse Nest Sternekop heraus. Das war also in Brandenburg und damit in bedrohlicher Nähe von Berlin. Wenn nur ein Viertel der Horrormeldungen zuträfe, dann rückte die Vernichtungswoge immer näher, und anstatt wenigstens auf die andere Seite der Alpen zu flüchten wie viele ihrer Nachbarn, sollte sie dem Katastrophenherd noch entgegen fahren? Andererseits, so überlegte sie, dürfte ein Kriminalkommissar wohl so viel Verantwortungsbewusstsein besitzen, niemanden unnötig zu gefährden. Sie aktivierte eine Sikroben-Ausbreitungssimulation. Unter Berücksichtigung aller bisher bekannten Sachverhalte würde der Rand der Invasion Sternekop frühestens in sechzehn Tagen und etwa zehn Stunden erreicht haben. Natürlich nur, wenn bis dahin kein Gegenmittel gefunden war. Noch bei diesem eigentlich wenig wahrscheinlichen Extremfall bestände also keine unmittelbare Gefahr.

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