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19. Juli 2008 6 19 /07 /Juli /2008 04:21

J. Ludwig, Der Rasenkrieg (2)

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Axel wäre aber nicht Axel gewesen, wenn er so schnell aufgesteckt hätte. Mit seiner halb verfallenen Mofa düste er zum nächsten Baumarkt und kaufte diverse Materialien ein. Dann verschwand er in seinem Keller. Er werkelte zu den Klängen des Horst-Wessel-Liedes. Als ordnungsgemäß um 22 Uhr die Nachtruhe begann, schlich sich Axel in den 1. Stock und befestigte an dem linken Vorderrad des Kinderwagens seine selbstgebaute Wegfahrsperre.
Damit nicht genug. In seinen Vollkörperschutzanzug gehüllt, wühlte er sich durch die Müllcontainer. Und wehe, er fand einen Quarkbecher im Altpapier! Er würde die Schuldigen ertappen! „Wo kommen wir denn dahin, wenn jeder macht, was er will. Ordnung ist das halbe Leben und wenn so etwas einreißt, gehen sogar Imperien wie Rom vor die Hunde!“Seine größte Herausforderung bestand jedoch darin, eine Anordnung der Wohnungsgesellschaft umzusetzen. Der breit angelegte Vorgarten, in dem Hunde ihr Geschäft verrichteten und Wüstlinge ständig die Blumen stahlen, sollte eingeebnet und mit einem Zierrasen versehen werden. Gesagt, getan. Axel richtete eine Großbaustelle ein und sperrte das Gebiet ordnungsgemäß ab, versteht sich. Dann setzte er diverse Maschinen ein, säte Rasen aus und wartete. Die Vögel, die gerne ein paar Grassamen verspeisten, wurden Opfer seines Luftgewehres. Nach einer Woche hatte er eine tote Drossel, einen Spatz und zwei Tauben an einer Leine vor seinem Fenster aufgehängt und daran ein Schild befestigt. „Wer hier pickt, wird erschossen!“
Eine Pudelhündin, die auf dem Sperrgebiet schnüffelte, spülte er samt zugehörigen Frauchens mit Hilfe eines Feuerwehrschlauch auf die Straße. „Kann Ihr Köter nicht lesen? Da steht ein Schild: Betreten verboten!“ An diesem Abend gönnte sich Axel ein paar Schnäpse extra. Vermutlich hatte er ganz vergessen, dass er sich selbst für die Nachtwache eingeteilt hatte, denn am anderen Morgen konnte er deutliche Fußspuren erkennen und machte sich ans Werk. Als er mit den Gipsabdrücken auf der Wache auftauchte, hatte er Pech, dass derselbe Beamte Dienst tat, den er schon einmal belästigt hatte. Nachdem er die zweite Anzeige erhalten hatte, schrieb er an den Oberbürgermeister: „ich bin ein politisch Gefangener und wenn das so weiter geht, beantrage ich in Österreich Asyl.“
Axel zog die Konsequenzen und errichtete einen Zaun aus Maschendraht. Als er bei einem seiner Rundgänge feststellte, dass dennoch Kinder auf den Rasen, der mittlerweile üppig gewachsen war, herumtobten, rüstete er nach. Er bezahlte den Nato-Stacheldraht aus eigener Tasche, da die Wohnungsgesellschaft sein Anliegen abschlägig beschieden hatte. Um so schockierter war Axel am Sonntag morgen, als er Kotspuren auf dem Rasen entdeckte! Kurzentschlossen verlegte er edle Kupferleitungen von der Hauptleitung zum Zaun und hatte alsbald eine weitere Anzeige am Hals. Ein Angetrunkener, der gestrauchelt war und händeringend nach Halt gesucht hatte, hielt sich am Draht fest und wäre beinahe an den Folgen des Stromschlages verstorben.
Dies bedeutete keinen Rückschlag für Axel, denn er ahnte, er war im Recht. Ein Opfer der jüdischen Weltverschwörung und somit eine Person, die in die Geschichte eingehen würde. Zudem hatte er Post von dem Untersuchungslabor, die die Kotproben eindeutig einem Kaninchen zugeordnet hatten. Eine gewisse Panik ergriff Axel. Kaninchen vermehrten sich schließlich wie – Kaninchen! Sehr schnell!
Obwohl er eimerweise Kaffee getrunken hatte, überkam ihn irgendwann die Müdigkeit. Am anderen Morgen fand er seine schlimmsten Ängste bestätigt. Noch mehr Karnickelkot! Alle guten Dinge sind drei, dachte Axel sich und rief die Polizei an. Natürlich geriet er wieder an diesen eigensinnigen Ordnungshüter, der seinen Antrag auf Polizeischutz vor den Kaninchen rigoros ablehnte. Dies wiederum steigerte Axels Wut so sehr, dass die nächste Anzeige fällig war – und die Androhung, ihn bei weiteren Vorfällen dieser Art in die Psychiatrie einliefern zu lassen. Diesmal verzichtete er auf einen Brief an das Stadtoberhaupt..

(Es folgt Teil 3)

 



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in Lyrik

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Utopischer Fortsetzungsroman
"Die sieben Kugeln" von Slov ant Gali (24)
 

Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Wir sollten eines nicht vergessen: Fernsehsender verdienen Geld mit Sensationen. Nicht, dass alles total falsch wäre, aber die Nachrichten werden eben aufgebauscht, zu Gruselstücken aufbereitet. Man darf nicht alles so nehmen, wie es dargestellt wird. Das müsst ihr einfach lernen.“ Sonja zögerte. Man merkte, dass sie mit ihren Worten nicht zufrieden war, dass sie noch nach der richtigen Erklärung suchte.

Sie halten die Bilder über die Katastrophe in Berlin also für Panikmache?“ Bernds Stuhl stand nur auf den Hinterbeinen. Ernie sah seine Lehrerin scharf an. „Todesbreiszenen als Computeranimation? Toll. Aber warum bringen sie dann alle weg? Evakuieren Hunderttausende? Wohl bloß so zum Spaß, was? Sehen Sie sich um: Selbst hier ist schon die Hälfte abgehaun.“

Zu der Sache mit dem Todesbrei fehlen uns die Hintergründe. Weißt du wirklich, was da im Einzelnen los ist? Diese Sikroben sind sicher für uns alle eine ungewöhnliche Bedrohung. Ich halte trotzdem nichts von Maries Armageddon-Idee. Die Existenz der Menschheit ist schon von so vielen Kriegen, Seuchen und Katastrophen bedroht worden, da werden wir auch diese Berliner Tropfen überleben.“

Gucken wir sie uns doch einfach an! Machen wir einen Ausflug! Wer mitkommen will, der meldet sich in der Pause bei mir. Also ich mach mich auf. Heute Nachmittag um drei gehts los.“ Ich war dabei halb aufgestanden, damit mich niemand ignorieren konnte.

Mach kein Quatsch!“ Die blanke Angst klang aus Sonjas Ruf. Sonja, die Zarge, schluckte. Mir war so etwas zuzutrauen. Das wusste sie ja. Also korrigierte sie sich: „Ich komme mit. Du hast hoffentlich nichts dagegen. Beim nächsten Mal werten wir dann unsere Ergebnisse aus. Aber zum eigentlichen Thema der Stunde. Tun wir erst einmal so, als gäbe es keine Ätzer. Geht das in Ordnung, Marie?“

Sonja wollte mit der Ironie im letzten Satz die Kontrolle über die Stunde zurückgewinnen. Dabei sah doch jeder, sie wäre sie am liebsten raus gerannt. Natürlich war sie gegen die Behauptung, die letzten Tage der Menschheit seien angebrochen. Sie hätte den Kommentatoren, die das verbreiteten, sofort den Ton abdrehen, die Finger von den Tasten reißen wollen. Es wurden aber immer mehr. Und wie sollte sie die ungebremste Naturgewalt sonst erklären? Sonja versuchte, die Stunde durchzuziehen. Aber da war nichts zu retten. Wir waren genauso wenig bei der Sache wie sie. Zum Schluss schaffte sie nicht einmal ihre Zusammenfassung.

Zum Pausenbeginn meldeten sich zehn Schüler. Sonja wählte fünf aus. Mehr Platz war nicht in ihrem E-Car. Bestimmt hatte sie längst bereut, auf meinen Vorschlag eingegangen zu sein. Andererseits wollte sie verhindern, dass wir uns in unnötige Gefahr begaben. Das konnte sie am besten, wenn sie selbst dabei war.

Nach den Schulstunden stürmte sie zur Kita, um ihre Zwillinge abzuholen. Dann rief sie gewohnheitsmäßig ihre Mails auf. Jens Marder? … Ach, der von Näswerder, der lebte also auch noch und sogar ziemlich in der Nähe! … Aha, er hatte mit den Berliner Ereignissen zu tun ... Rahman tot? Verdammt! …

Sonja hatte die Mail zu Ende gelesen. Sie war nun noch wütender auf ihren Auftritt in der Stunde. Hätte sie sich nicht zumindest diesmal den Schlenker auf die Medien verkneifen sollen? In Berlin wütete die totale Vernichtung. Die Hilferufe, Flüchtlinge aus den betroffenen Gebieten aufzunehmen, waren keine der üblichen Panikmeldungen. Dann aber beruhigte sie sich wieder. Obwohl Jens scheinbar unmittelbar an der Katastrophenbekämpfung in Berlin beteiligt war, deutete er irgendein albernes Geheimnis an. Seine Schwur-Kugel wirke auf Insekten. Na, wenn er das für erwähnenswert hielt, dann konnte die Bedrohung durch die Sikroben wohl nicht so schlimm sein.

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