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3. Januar 2010 7 03 /01 /Januar /2010 06:15
 

Was passierte? Klar, ich steckte mir eine neue Zigarette an, obwohl die andere noch gar nicht aufgeraucht war. Dann starrte ich auf den Tischkalender, der in Schweinsleder gebunden war. Mir wurde schwindelig. Um mich abzulenken, schaute ich zu meinem Goldfisch, der behaglich durchs Wasser glitt und die Pflanze liebkoste.

Heute war der 23. April. So weit, so gut. Kein Grund, in Panik zu geraten, denn ich hatte tatsächlich meine Mietrückstände beglichen.

Dennoch war dies ein denkwürdiger Tag. Namenstag. Und raten Sie, wessen Namenstag? Richtig, Georg. Englisch, George. Bush. Am Dreiundzwanzigsten. Klärchen?

Kommen Sie mir nicht mit Zufällen. Georg, oder George, der Drachentöter.

Das Symbol für die neue Macht. Von Dreadlock hatte ich gelernt, dass Drachen eigentlich sehr friedfertig waren. Der Schatz, den sie behüteten, bestand nicht aus Gold, Silber und Edelsteinen. Nein, es war die Weisheit, der Glaube an die Macht der Natur, an die Vielschichtigkeit, die weit über wissenschaftliche und religiöse Erkenntnisse geht. Die ersten, die sich über die geflügelten Feuerspeier hermachten, waren so sauer, weil keinen materiellen Reichtum fanden und haben unzähligen Drachen dafür den Kopf

abgeschlagen.

Mein Gott, ist doch verständlich, dass die Opfer sich wehrten.

Ein Teil von ihnen floh in die „Andere Welt”, andere fanden Zuflucht inLoch Kness” und haben einen Sponsorenvertrag mit den örtlichen Touristikbehörden.

Ab und an tauchen sie auf, damit immer weitere Besucher dorthin kommen. Wieder andere haben Modell gestanden, damit man aus den Knochen der vermeintlichen Dinosaurier ganze Urtiere herstellen konnte. Wobei mir Dreadlock sagte, einige Kreationen seien doch sehr weit von der Realität entfernt.

Und nun wieder die „Dreiundzwanzig”. So wie einst die „sechshundertsechsundsechzig”

als Symbol für das Rom unter Nero galt, der wirklich einen Dachschaden hatte, aber unter dem viele Juden und Christen zu Frischfutter für Raubkatzen in den Zirkus eingeliefert wurden, so war die „23” das Symbol einer Verschwörung. Einer Verschwörung? Nein, es war die Verschwörung!

Wieder einmal kamen mir Zweifel an meinen neuen amerikanischen Freund.

Ob er vielleicht doch ein Doppelagent war? Einer dieser „Men in Black”, nur eben der Man in Trench? Mir wollte das nicht in den Sinn. Zu sehr hatte ich mich an seine Fragen und die Zigarilloasche gewöhnt.

Abschalten, dachte ich und schaltete den Fernseher ein. Ein Vorbericht zur Fußball-WM. Hier in Deutschland. Wieder einmal kritische Stimmen über das Sponsoring. Es war schon merkwürdig, dass weder „Chrommacher”,Valentis” oder „Spritburger” ihr Bier in den Stadien verkaufen durften, sondern eine US-Firma. US-Firma? Sollte man meinen, aber ich weiß es besser: Dahinter steckt niemand anders als der „Drink-King”. Er hält ein

Aktienpaket von fünfzig Prozent und seine Angeheiratete nochmals – Sie ahnen es – dreiundzwanzig Prozent.

Ich war kurz davor, meinen ausgewiesenen Antiamerikanismus aufzugeben, aber nur insoweit, als dass man den Indianern endlich wieder ihr Land zurück gibt.

Es ist ja auch nicht so, dass ich pauschal urteile. Nur wählt sich jedes Volk, soweit es wählen kann, die Regierung, die es verdient.

Der Bundestrainer trat vor die Kameras. Wieder einmal waren seine Heimflüge in die Vereinigten Staaten von Amerika Grund für Kritik.

Ähm, hatte ich da ein Deja Vu?

Wann werden Sie denn den Kader bekannt geben?“

Der blonde Schwabe mit dem angedichteten Hang zum Warmduschen strahlte wie ein republikanischer Präsidentschaftskandidat und erklärte:

Die dreiundzwanzig Spieler benenne ich Mitte Mai.“

Mir fiel, wie mein Großonkel zu sagen pflegte, der Kitt aus der Brille und das Schaltgerät für den ehrwürdigen Chipsesser vor dem TV ebenso. Klar, wieder die „Dreiundzwanzig”. Das war nicht der „Kliniski”, der früher für Deutschland Tore geschossen hatte, sondern eine Kopie, ein Clon aus den Geheimlaboren von CIA und NSA! Daher der angebliche Familienheimflug, seine biogenetische Batterie musste immer wieder aufgeladen werden. Das war auch der Grund, warum die deutsche Mannschaft nicht über die Vorrunde käme. Einen Monat lang könnte er gar nicht hier bleiben, der nachgemachte Bundestrainer. Da war mir der Herberti lieber, wenn mir der Tanzzwerg auch eröffnet hatte, Herberti wäre einer von ihnen und wegen Erfolglosigkeit bei „Roter Bart Schmiedenhausen“ entlassen worden.

Jetzt ehrlich, lieber einen Zwerg als Bundescoach als ein Clon, oder?

Apropos Zwerge. In meiner rechten Schublade neben den Erinnerungsfotos an einen Einsatz in Syrien lag noch das Zwergophon.

Ich tippte die Durchwahl von Dreadlock Mannox ein, der sich wenig später meldete.

Wolf, was kann ich für dich tun?“

Ich räusperte mich. „Also, ich brauche Gewissheit. Was ist mit Climbimbus? Ist er sauber? Habt ihr ihn auch auf Herz und Nieren geprüft?“

Mannix kicherte: „Du bist wirklich schwer zu überzeugen. Der Junge ist korrekt. Was er sagt, hat Hand und Fuß. Mache bitte folgendes. Frage ihn nach seiner Mutter. Dann wirst du einiges mehr verstehen.“

Es knackte in der Leitung und eine Stimme warb zu guter letzt noch für eine

Zweihandhiebwaffe. Offensichtlich gab es bei den Zwergen auch viele Sammler, denn ich hatte ja ihre modernen, technisch weit überlegenen Waffen kennen gelernt.

Im Fernsehen lief nun die beliebte Serie mit „Dieter Kohlen”: Deutschland sucht den Superdepp. Ich fragte mich allen Ernstes, wie blöd ein Volk noch werden könnte. Ein Satiremagazin hatte es sich erlaubt, eine Karikatur über Kohlen einzustellen, was zu Massendemonstrationen und sogar Morddrohungen geführt hatte. Der Redakteur musste in Obervolta um politisches Asyl nachfragen.

Dies aber nur am Rande, Sie sind ja ein Bildungsbürger.

Es klopfte an meiner Bürotür und wie bestellt erschien Climbimbus.

Bevor er den Mund auch nur ansatzweise öffnen konnte, war ich aufgesprungen:

Ich habe da einmal eine Frage.“

Climbimbus hockte sich nieder und zog eine Flasche Whiskey aus der Tasche, die stilecht wie in seiner Heimat in Papier gewickelt war.Oh, das überrascht mich nicht.“

Ich blickte auf meine Unterlagen, denn Dreadlock Mannix hatte mir noch einen Hinweis gegeben.

Delilah.“

Samson.“

Falsche Antwort, aber gut gekontert. Soll die Pulle nicht aufgemacht werden?“

Gläser?“

Hier.“

Schweigen.

Betroffenheit.

Ich frage noch einmal, mein werter Climbimbus: Delilah?“

Climbimbus wischte sich mit dem Mantelärmel die tropfende Nase ab und tupfte mit einem Taschentuch in dem Format einer Platzdecke die Tränen aus seinen Augen.

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